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Schutz von Wildbestäubern in der Risikobewertung und Risikomanagement von Pestiziden

Die biotische Bestäubung von Blütenpflanzen ist ein zentraler Prozess in natürlichen Lebensgemeinschaften. Etwa 85% aller Blütenpflanzen werden von Tieren bestäubt (Ollerton et al. 2011) und zahlreiche Nutzpflanzen sind auf die Tierbestäubung angewiesen (Klein et al. 2007).

Zu den blütenbestäubenden Arten zählen vor allem Insekten wie Bienen, Falter, Schmetterlinge, Käfer und Schwebfliegen (EFSA 2015). Sie erbringen eine wichtige Ökosystemdienstleistung mit hohem Stellenwert sowohl für den Erhalt natürlicher Pflanzengesellschaften, als auch für den Ertrag landwirtschaftlicher Kulturen. (Gallai et al. 2009) schätzen den ökonomischen Wert der Tierbestäubung weltweit auf 153 Milliarden Euro. Weiterhin tragen blütenbestäubende Insekten zur Biodiversität bei, sind wichtige Elemente von Nahrungsketten und haben nicht zuletzt einen ästhetischen Wert.

Populationsrückgänge bei Bestäubern

Aktuelle Erkenntnisse zur Entwicklung der Biodiversität in Agrarräumen zeigen Populationsrückgänge bei wildlebenden blütenbestäubenden Insekten auf (Goulson et al. 2015; Potts et al. 2015; BfN 2015). Zu den möglichen Gründen für diese Entwicklung zählt neben Habitatverlust und -fragmentierung, Umweltverschmutzung, invasiven Arten, Parasiten und Pathogenen auch der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (Goulson et al. 2015; Potts et al. 2015).

Wildbestäuber in Risikobewertung und Risikomanagement von Pflanzenschutzmitteln

Die aktuelle Risikobewertungspraxis von Pflanzenschutzmitteln basiert im terrestrischen Bereich auf den Ergebnissen des ESCORT 2 Workshops (Candolfi et al. 2000) und dem SANCO guidance document on terrestrial ecotoxicology (SANCO 2002). Im Rahmen der Bewertung wird die Honigbiene getestet, die als repräsentativ für alle Bienenarten angenommen wird. Andere Bestäuberarten werden derzeit nicht in die Risikobewertung von Pflanzenschutzmitteln mit einbezogen. Das neue Guidance Dokument der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (European Food Safety Authority, EFSA) zur Bewertung des Risikos von Pflanzenschutzmitteln gegenüber Bienen sieht zusätzlich die Bewertung repräsentativer Hummel- und Solitärbienenarten vor (EFSA 2013). Allerdings konnten die EU Mitgliedsstaaten sich bisher nicht darauf einigen diese Bewertungsleitlinie zu akzeptieren. Auch in der Gruppe der Nichtziel-Arthropoden werden keine weiteren Bestäuberarten berücksichtigt. Daher stellt sich die Frage, ob wildlebende blütenbestäubende Insekten in der aktuellen Risikobewertung und im Risikomanagement von Pflanzenschutzmitteln ausreichend geschützt sind. Weiterhin existiert bislang kein Bewertungskonzept, dass die besondere räumliche Dynamik mobiler, zwischen Anwendungsfläche (Feld) und Nichtzielfläche (z.B. Pufferzone) wechselnder Arthropoden (wie z.B. bestäubender Insekten) berücksichtigt. Vor diesem Hintergrund hat die EFSA den Stand des Wissens zu Nichtziel-Arthropoden in einer scientific opinion veröffentlicht (EFSA 2015), die erstmals auch eine Stellvertreterart für herbivore und bestäubende Insekten (Schmetterlingslarve) vorsieht. Die Erstellung einer Bewertungsleitlinie ist für 2017 vorgesehen.

Projektzielsetzung

In diesem vom Umweltbundesamt finanzierten Forschungs- und Entwicklungsvorhaben (FKZ: 3715 64 409 0) soll eine Grundlage für die zielgerichtete Anpassung der Bewertungs- und Managementansätze erarbeitet werden. Die aktuellen Leitlinien der EFSA zur Risikobewertung von Bienen und terrestrischen Nichtziel-Arthropoden sollen auf Defizite hinsichtlich des Schutzes von blütenbestäubenden Wildinsekten überprüft werden. Weiterhin sollen Daten zur Ökologie, Exposition und toxikologischen Sensitivität von Wildbestäubern gesammelt werden. Darauf aufbauend soll die relative Sensitivität verschiedener Gruppen von Wildbestäubern in kulturspezifischen Landschaftsszenarien ermittelt. Mithilfe dieser Informationen sollen Kriterien für ein Bewertungsschema für blütenbestäubende Wildinsekten abgeleitet und Vorschläge für die Anpassung von potentiellen Risikomanagementmaßnahmen erarbeitet werden.

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Publikationen

 

Unsere Forschungspartner

 

Referenzen

Candolfi MP, Barrett KL, Campbell PJ, Forster R, Grandy N, Huet MC, G., Oomen PA, Schmuck R, Vogt H (2000) Guidance document on regulatory testing and risk assessment procedures for plant protection products with non-target arthropods. ESCORT 2 workshop (European Standard Characteristics of non-target arthropod Regulatory Testing). Wageningen, The Netherlands.

EFSA (2013) Guidance on the risk assessment of plant protection products on bees (Apis mellifera, Bombus spp. and solitary bees). EFSA Journal 11 (7):3295.

EFSA (2015) Scientific Opinion addressing the state of the science on risk assessment of plant protection products for non-target arthropods. EFSA Journal 13 (2):3996.

Gallai N, Salles JM, Settele J, Vaissiere BE (2009) Economic valuation of the vulnerability of world agriculture confronted with pollinator decline. Ecol Econ 68 (3):810-821. doi:10.1016/j.ecolecon.2008.06.014.

Goulson D, Nicholls E, Botias C, Rotheray EL (2015) Bee declines driven by combined stress from parasites, pesticides, and lack of flowers. Science 347 (6229):1435-+. doi:10.1126/science.1255957.

Klein AM, Vaissiere BE, Cane JH, Steffan-Dewenter I, Cunningham SA, Kremen C, Tscharntke T (2007) Importance of pollinators in changing landscapes for world crops. P Roy Soc B-Biol Sci 274 (1608):303-313. doi:10.1098/rspb.2006.3721.

BfN (2015) Artenschutz-Report 2015: Tiere und Pflanzen in Deutschland. Bundesamt für Naturschutz, Bonn.

Ollerton J, Winfree R, Tarrant S (2011) How many flowering plants are pollinated by animals? Oikos 120 (3):321-326. doi:10.1111/j.1600-0706.2010.18644.x.

Potts S, Biesmeijer K, Bommarco R, Breeze T, Carvalheiro L, Franzén M, González-Varo JP, Holzschuh A. KD, Klein A.-M. K, B., Lecocq T, Lundin O, Michez D, Neumann P, Nieto A, Penev L, Rasmont P, Ratamäki O, Riedinger V, Roberts SPM, Rundlöf M, Scheper J, Sørensen P, Steffan-Dewenter I, Stoev P, Vilà M, Schweiger O (2015) Status and trends of European pollinators. Key findings of the STEP project. Pensoft Publishers, Sofia, Bulgaria.

SANCO (2002) Guidance Document on Terrestrial Ecotoxicology under Council Directive 91/414/EEC. SANCO/10329/2002 rev 2 final.

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